NÜRNBERG. Wer wie Johannes Werkshage über 30 Jahre als »Beziehungsberater« in einer Stadt unterwegs ist, der hat hautnah erlebt, was gesellschaftlicher Wandel für den einzelnen Menschen bedeutet. »Sie haben in ihrer Arbeit immer sehr genau hingeschaut. Die Angebote aus der Richtung gedacht ,was brauchen die Menschen?‘«, meinte Dr. Kerstin Schröder, Jugendamtsleiterin in Nürnberg, bei Werkshages Verabschiedung am gestrigen Donnerstag. So stieg beispielsweise in den 90er Jahren die Scheidungsrate massiv an. Sich nicht nur auf das »Ehe-Retten« zu konzentrieren, sondern Trennung vernünftig zu gestalten, Kindern Sicherheit in dieser Situation zu geben – das erkannte Werkshage und sein Team als essentielle Aufgabe für Familien in dieser Lage. »Sie müssen es auch aushalten, mit Scheidungspartnern und Hochstrittigen in einem Raum zu bleiben«, so Werkshage, der etliche hochgeladene Beratungsstunden erlebt hat. Auch sexueller Missbrauch wurde in der Beratungsstelle zunehmend Thema, je unabhängiger Frauen wurden und den Mut fanden, zu sprechen. »Wir reagierten, besuchten Fortbildung über Fortbildung, um dem Thema gerecht zu werden«, erzählt der 65-Jährige.
Als Meilenstein mit Johannes Werkshage verbunden, bleibt auch seine Initiative, muttersprachliche Paar- und Erziehungsangebote für Nürnberg zu entwickeln - verteilt auf mehrere Stadtgebiete. Zuerst mit Hilfe von Übersetzern*innen und schließlich mit eigenen muttersprachlichen Sozialpädagogen*innen, die in türkischer englischer und spanischer Sprache berieten. Werkshage selbst lud zu französischsprachigen Sprechstunden.
Im Blick: Kinder mit seelisch erkrankten Eltern
In Kooperation mit sozialpsychiatrischen Fachdiensten machte sich Werkshage in den letzten Jahren auf den Weg, Kinder seelisch erkrankter Eltern besser zu erreichen und zu stärken. Ein mühsamer Weg, wie er selbst beschreibt. »Es hat mich aber oft sehr berührt, wie Eltern, die eine psychische Krise durchstehen, Aufopferungsbereitschaft für ihre Kinder zeigen. Wie sie sich Unterstützung holen, um ihre Kinder durch diese schwierige Phase zu bringen.« Johannes Werkshage ist uneitel und meint selbst, dass die Hilfestruktur für psychisch stark belastete Familien durchaus noch »Luft nach oben« habe. Er hofft, dass zukünftig präventiven Hilfen noch weiter gestärkt werden, um das erhöhte Risiko der Kinder, selbst psychisch zu erkranken, einzudämmen.
Multioptionsgesellschaft überfordert Menschen leicht
Jährlich 1.100 Paare, Eltern, Kinder und Großeltern fanden zuletzt in der Erziehungs-, Paar- und Lebensberatung der Stadtmission Hilfe. Und die Themen gehen auch künftig nicht aus: »Steigender Arbeitsdruck« oder die »Dauerpräsenz digitaler Medien« würden Familien heute massiv unter Druck bringen. Und auch »die zunehmende Individualisierung, die jeden einzelnen zwingt immer mehr zu entscheiden« überfordere bisweilen, meint Werkshage. »Althergebrachte Normen und Rollen helfen nicht mehr dabei, sich selbst zu verorten.« Eines aber ändert sich nicht, weiß der Psychologe: »Die Seele ist nicht totzukriegen, sie wird immer wieder Beziehungen wünschen«. Johannes Werkshage stellt damit auch klar, warum externe Begleitung und Beziehungsberatung für Menschen in dieser Stadt immer wichtig sein werden.
»Souverän«, »vermittelnd« und »extrem rührig« bleibt Werkshage seinen Mitarbeitenden in Erinnerung. Gabi Rubenbauer, Vorständin der Stadtmission Nürnberg, bekundete bei seiner offiziellen Verabschiedung am 30. Januar: »Wir konnten uns als Träger jederzeit auf Sie verlassen. Sie haben diese Beratungsstelle wunderbar ausgefüllt. Eine Erfüllung für uns war das und - man hat es Ihnen angemerkt - eine Berufung für Sie.«
Am 1. Februar übernimmt die Psychologin Elisabeth Rümenapf die Leitung der integrierten Beratungsstelle in der Rieterstraße. Auch sie wird mit ihrem 18-köpfigen Team eigene Spuren setzen und neue Angebote entwickeln.