Nürnberg »Ich habe als Elternteil sehr gelitten. Meine Gefühle reichten von Zorn und Wut bis zu Hilflosigkeit. Die Situation war für mich Stress hoch zehn«, so beschreibt Gerd K.* seinen seelischen Leidensweg, als Folge der Glücksspielsucht seines 29-jährigen Sohnes.
Um nichts falsch zu machen, suchte Gerd K. Hilfe beim Suchthilfezentrum der Stadtmission Nürnberg. »Ich wollte kein Porzellan zerschlagen und nicht mit zwei, drei Sätzen alles zerstören.« Nach dem ersten Beratungsgespäch meldete er sich bei ETAPPE, dem »Entlastungstraining für Angehörige problematischer und pathologischer Glücksspieler«, an.
»Gerd K.‘s Probleme sind typisch«, erklärt Susanne Hopp. Die Diplom-Psychologin leitet zusammen mit der Sozialpädagogin Angélique Popp das Entlastungstraining. »Angehörige wie Herr K. stehen mit ihren Sorgen, ihren Schuldgefühlen und Fragen oft alleine da. Bei ETAPPE erhalten sie u. a. Informationen zu Ursachen und Therapiemöglichkeiten der Glücksspielsucht oder zu rechtlichen und finanziellen Fragen. In der Gruppe können die Angehörigen mit anderen Betroffenen auch über ihren Umgang mit der Glücksspielsucht und ihre konkreten Probleme reden.«
»Am wichtigsten ist aber«, so Hopp weiter, »dass die Angehörigen lernen, sich selbst vor der Sucht und ihren seelischen Folgen zu schützen«. »Das ist besonders schwer«, bekräftigt Gerd K. »Man fragt sich jeden Tag: Wie weit gehe ich? Ab wann will ich mich selber schützen? Wo hört mein Leben auf, wo lebe ich das Leben des Spielers? Sich von einem süchtigen Partner zu trennen, ist da eher leicht. Aber wo und wann höre ich bei meinem eigenen Kind auf?«
»Glücksspielsucht ist kein gesellschaftliches Randproblem«, betont Erica Metzner, Leiterin des Suchthilfezentrums. »In Nürnberg gelten mindestens 4.000 Menschen als glücksspielsüchtig. Ihre Familien leiden in ähnlicher Weise wie die Angehörigen von Alkohol- und Drogenabhängigen. Wir gehen von bis zu 30.000 Betroffenen aus. Darum sind wir froh, dass wir dank der Förderung durch die Stadt Nürnberg in diesem Jahr wieder ETAPPE-Gruppen anbieten können.«
Von der Eröffnung der Beratungsstelle für Glücksspielsüchtige im Jahr 2008 bis Ende 2013 suchten 753 Spielsüchtige und 264 Angehörige dort Hilfe. Die Tendenz ist steigend. Allein im ersten Quartal 2014 waren es bereits 77 Betroffene.
Gerd K. hat von ETAPPE profitiert: »Ich habe viel gelernt, gerade was Kommunikation angeht. Ich mache meinem Sohn z.B. keine Vorhaltungen, denn das wäre der falsche Weg. Wenn ich ihm kein Vertrauen schenke, wie soll er dann Selbstvertrauen bekommen?« Erste Fortschritte geben ihm Hoffnung. »Mein Sohn hat mir nach einer Aussprache seine EC-Karte ausgehändigt und die Verwaltung seines Gehaltes übertragen. Er will nicht wieder in Versuchung kommen, sein Geld zu verzocken. Wir sind auf einem guten Weg«.
Der nächste ETAPPE-Kurs beginnt im September. Er ist kostenlos und findet an sieben Abenden statt. Anmeldungen sind ab sofort möglich.
Kontakt:
Suchthilfezentrum der Stadtmission Nürnberg
Susanne Hopp
Beratungszentrum Christine-Kreller-Haus
Krellerstraße 3
90489 Nürnberg
Tel.: 0911 / 37 65 4-200
* Name geändert
Bildunterschrift: Viele Angehörige leiden unter der Spielsucht ihrer Partner oder Kinder. Im Suchthilfezentrum der Stadtmission Nürnberg finden sie Beratung und Hilfe. (Beratungsszene wurde gestellt)
