Etwa 800 EUR hat Heidrun Leucht (Name geändert) im Monat zum Leben. 450 EUR gehen für die Miete ihrer kleinen Wohnung im Nürnberger Osten weg, vom Rest finanziert sie Strom, Internet, Essen. Mehr als die existenziellen Dinge des Lebens sind meistens nicht drin. »Früher habe ich noch Bücher kaufen können, das ist vorbei«, bedauert die Rentnerin, die dennoch froh ist, weil es für die eigenen vier Wände noch reicht. »In den Zimmern ist fast noch alles so wie in den 90ern, als ich hier eingezogen bin. Der Bürostuhl ist ein bisschen kaputt. Hier und da habe ich mir selber was gebaut.«
Heidrun Leucht ist eine von etwa 7000 Nürnberger Senioren*innen, die auf ergänzende Grundsicherung im Alter angewiesen sind. Trotz hervorragender Bildung – die 65-Jährige hat sowohl ein Studium als auch eine einschlägige Ausbildung absolviert – kämpft Heidrun Leucht schon seit Jahrzehnten mit Einkommensarmut. »Das Gefühl von finanzieller, existenzieller Sicherheit habe ich eigentlich nie kennengelernt.« Beruflich sei sie nie angekommen, habe Stellen immer wieder gewechselt und viele Konflikte einfach nicht aushalten können. Heute weiß die 65-Jährige, warum sie nicht »ständig funktioniert hat«: Eine Posttraumatische Belastungsstörung aus Kindheitstagen hat sie verletzlich gemacht, erschütterbarer als viele andere.
Unbürokratische Hilfe durch Spenden möglich
»Es herrscht ein gesellschaftliches Klima, in dem ist der erwerbsfähige Mensch, der gute Mensch – selbst ex-erwerbstätige Rentner bekommen das zu spüren«, kritisiert Stadtmissions-Vorstand Matthias Ewelt. »Erste Hilfe gegen Armut« ist eine Kampagne, mit der wir um Spenden bitte, aber auch für eine Überzeugung werben: »Der Mensch ist wertvoll und hat in jeder Lebenslage bedingungslos Hilfe verdient.« Durch die eingeworbenen Spendengelder kann die Stadtmission vielen Nürnberger*innen unbürokratisch helfen. Zum Beispiel wenn die Stromsperre droht oder wenn Senioren*innen teure Medikamente nicht aus ihrem knappen Einkommen bezahlen können. Außerdem kommen die Spenden der Arbeit der Beratungs- und Nothilfestellen der Stadtmission zu Gute, die Menschen in Krisen individuell unterstützen und z.B. verhindern, dass sie in die Obdachlosigkeit abrutschen. »Im Ballungsgebiet Nürnberg steigt der Druck – gerade auch auf alte Menschen. Ein Beispiel: Wenn die kleine, bisher gemeinsam gehaltene Wohnung, plötzlich allein von einer Witwe gezahlt werden muss, wird es hart,« so Ewelt.
Fast jede vierte Frau ab 65 von Armut bedroht
Auch Heidrun Leucht bezahlt von etwa 800 EUR Monatseinkommen mehr als 50% für ihre Miete. Ihre Brillengläser habe sie nur mit Hilfe von Stiftungsgeldern finanzieren können, die ihr die Kirchliche Allgemeine Sozialarbeit der Stadtmission vermittelt habe. Bayernweit ist jede vierte Frau ab 65 und 17,6% aller Senioren*innen über 64 von Armut bedroht. 7% der über 65-jährigen Nürnberger*innen sind von einer ergänzenden Grundsicherung abhängig. »Das betrifft nicht nur Menschen, die ihr Leben lang im Niedriglohnsektor gearbeitet haben und jetzt vielleicht Aussicht auf eine kleine Grundrente haben«, sagt Stadtmissions-Sprecherin Tabea Bozada. Es seien Menschen mit gebrochenen Erwerbsbiografien, zu einem hohen Anteil Zugewanderte und insbesondere Frauen: »Alleinstehende oder Geschiedene sind es meist, Frauen, die von Erwerbs- und Familienarbeit doppelt erschöpft sind«, so Bozada. Auch Seniorenberaterin Gabriele Volz unterstreicht: »Zu mir kommen fast ausschließlich Frauen, die finanziell abhängig von ihrem Partner waren oder krank sind.« Gerade letztere hätten »keine Möglichkeiten mehr, ihre Lage durch Minijobs oder Ehrenämter etwas zu verbessern«.
Nicht nur der materielle Mangel zehrt aus, es ist auch die Einsamkeit, die damit einhergeht. »Mal mit Freunden ausgehen, da muss ich immer nach dem billigsten Gericht schauen. Ich fühle mich da unwohl und die Freunde, die es beobachten, auch«, erzählt Heidrun Leucht. Also habe sie sich das abgewöhnt. Dagegen fährt sie ausschließlich Fahrrad und verlässt das Haus nie ohne Butterstulle. »Ich kann mir unterwegs eben nicht schnell mal was kaufen.« Kleidung kauft Heidrun Leucht aus zweiter Hand und pflegt penibel »was sie sich vor 25 Jahren gekauft hat.« Die gebürtige Baden-Württenbergerin ist genügsam, weil sie ihr Leben lang wenig hatte. »Mein Leben war ein einziges Überlebenstraining«, bilanziert sie.
»Mit den Spenden aus ,Erste Hilfe gegen Armut‘ können wir vielen mittellosen Nürnbergern das Leben etwas erleichtern«, sagt Vorstand Matthias Ewelt. Und er ergänzt: »Alles was gegen Armut hilft, hilft auch gegen Vereinsamung.«
Spendenkonto:
Stadtmission Nürnberg e. V.
IBAN: DE71 5206 0410 1002 5075 01
BIC: GENODEF1EK1
Evangelische Bank eG
Stichwort: Armut