1977 hat Ruth Persau als Erzieherin im Martin-Luther-Haus der Stadtmission Nürnberg begonnen. Neben der Kinder- und Jugendhilfe, war sie in der Sozialpsychiatrie, als Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Stadtmission und schließlich 13 Jahre an der Spitze der staatlich anerkannten Beratungsstelle für Sexual- und Schwangerschaftsfragen (SSB) tätig. Dort finden jedes Jahr etwa 1.600 Menschen aus Nürnberg und Umgebung Hilfe. Vom Teenager bis zur Rentnerin – über Sex, (unerfüllte) Kinderwünsche, familiäre Existenzsorgen oder einen möglichen Schwangerschaftsabbruch redete Persau mit Frauen und Paaren allen Alters. »Ich fand es beeindruckend, wie unterschiedlich Menschen mit schwierigen Lebenssituationen umgehen. Mein Ansatz war immer, jedem Menschen, jeder Familie, die ein Problem hat, gelingt auch irgendetwas richtig gut. Nach diesen Fähigkeiten habe ich immer geschaut.«
Strafandrohung und Angst hinderlich
Ein Feld heißer gesellschaftlicher Debatten, in dem sich Ruth Persau nicht nur von Berufswegen her positionieren und bewegen musste, war die Schwangerschaftskonfliktberatung. Erst im Juni diesen Jahres hob der Bundestag das sogenannte Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche auf – für Persau ein Durchbruch, die den Paragraf 219a im Strafgesetzbuch immer kritisiert hatte: »Es war unsäglich, in dieser Sache überhaupt von Werbung zu reden, obwohl es um ordentliche, sachliche Informationen ging, die Frauen in die Lage versetzt, eine aufgeklärte, gut durchdachte Entscheidung über eine mögliche Abtreibung zu treffen«, ärgert sich Persau rückblickend. Das habe viele Frauen in Notsituationen unseriösen Organisationen ausgeliefert, die online radikale, unsachgemäße Inhalte zum Schwangerschaftsabbruch verbreiten. Der Idee, Abtreibungen würden durch Informationskampagnen banalisiert oder gar beworben, widerspricht sie energisch: »Keine Frau macht mal eben schnell einen Abbruch. Ein Schwangerschaftskonflikt wühlt jede Frau tief auf. Es ist dreist, den Betroffenen in dieser Not, Leichtfertigkeit zu unterstellen.« Dagegen hält die Sozialpädagogin es für essentiell, die Informationsangebote für die betroffenen Frauen umfangreich, wertfrei und leicht zugänglich zu halten. Sie meint damit gesetzlich verankerte Beratungsstellen wie die SSB ebenso wie medizinische Praxen. Allerdings: »Immer weniger Ärzte bieten Schwangerschaftsabbrüche an. In Bayreuth und Ansbach gibt es keinen mehr. Das Thema ist stigmatisiert. Wir brauchen aber gut ausgebildete Mediziner, die sich damit fachlich auskennen. Darum muss sich die Politik kümmern!«
Das Frauen vermittelte Gefühl, mit ihrer Not als potentielle Straftäterin behandelt zu werden, wiederum führe nie zu etwas Konstruktiven – weder für die Frauen selbst, noch für die Ungeborenen. »Wir haben es oft erlebt, dass Frauen bei uns saßen und nach einem tiefen Gespräch sagen konnten: Danke, ich habe mich nicht verurteilt gefühlt und erfahren, was für Hilfe mir zusteht.« Und so wundert es nicht, dass die 64-jährige Frauenrechtlerin auch den Abtreibungsparagrafen 218 gern aus dem Strafgesetzbuch gebannt sähe. »Jedes Leben ist schützenswert. Der Schutz ungeborenen Lebens geht aber auch nur mit den Frauen zusammen, nicht als Kampfansage gegen sie.«
Trotz aller Aufmerksamkeit zu diesem Thema – Schwangerschaftskonflikte betrafen in der SSB nur knapp ein Drittel der Beratungsfälle. Etwa 70% der Hilfesuchenden seien mit Problemen ihrer Sexualität, mit unerfüllten Kinderwünschen oder mit sozialen und finanziellen Ängsten angesichts einer bestehenden Schwangerschaft gekommen. »Ich habe in all den Jahren viel Achtung davor bekommen, was Frauen tragen und entscheiden müssen. Und ich habe gelernt, wie anderswo in der Welt Familie und Geburt anders, aber eben nicht automatisch schlechter als hierzulande verhandelt wird. Das hat mich sehr bereichert", bilanziert die 64-Jährige.
Im September übernimmt Elisabeth Mitterer die Leitung der Sexual- und Schwangerschaftsberatung der Stadtmission, die eine von fünf staatlich anerkannten Stellen ihrer Art in Nürnberg ist. Die studierte Sozialmanagerin war zuletzt bei den Ambulanten Erzieherischen Hilfen der Stadtmission tätig.