Spendenaktion: Ex-Häftlinge machen Schule

Stadtmission plant Projekt zur Gewalt- und Suchtprävention für Jugendliche

Kay Putsche, Einrichtungsleiter des Arbeitskreis Resozialisierung, möchte das Präventionsprojekt »Gefangene helfen Jugendlichen« in Nürnberg an den Start bringen.

Straffällige Jugendliche sind eine Herausforderung in Deutschlands Großstädten – so auch in Nürnberg. Genau hier setzt ein neues Projekt der Stadtmission Nürnberg an, die dafür ehemalige Häftlinge ins Boot holen will. Der »Arbeitskreis Resozialisierung« (AK Reso) plant das neue Angebot »Gefangene helfen Jugendlichen«. Das Gesamtkonzept orientiert sich an dem gleichnamigen Verein aus Hamburg. In Bayern wäre es das erste Projekt dieser Art. Mittelfristig soll es sich aus eigenen Einnahmen selbstständig tragen. Damit der Start gelingt, bittet die Stadtmission Nürnberg um Spenden.

Auf der schiefen Bahn

Manche kriminellen Karrieren beginnen früh, manchmal schon im Alter zwischen elf und 14 Jahren. Meist kommen diese Kinder und Jugendlichen aus schwierigen Verhältnissen, in denen eine erwachsene Vorbildrolle fehlt, der Wohnraum beengt und die finanzielle Situation herausfordernd ist. In der Gruppe wollen sich die Heranwachsenden behaupten, und im falschen Umfeld werden Straftaten durch Anerkennung belohnt. »Das leben die Jugendlichen, bis es irgendwann kracht«, weiß Kay Putsche, der den AK Reso bei der Stadtmission Nürnberg leitet und Erfahrung in der Jugendhilfe hat. Selbst wenn straffällig gewordene Teenager in den Jugendarrest kämen, sei das nicht vergleichbar mit den Bedingungen in einer Justizvollzugsanstalt.

Verklärte Vorstellungen vom Leben in Haft

Kay Putsche möchte Präventionsarbeit für Jugendliche auch an Nürnbergs Schulen und Jugendhilfe-Einrichtungen anbieten und etablieren. Eine Empfehlung, das Projekt hier vor Ort umzusetzen, hat auch das Bayerische Justizministerium ausgesprochen. Das Konzept sieht vor, dass aktuell oder ehemals Inhaftierte die Schulklassen und Jugendgruppen durch einen realistischen Einblick in ihre persönlichen Haft-Erfahrungen aufklären. Vorgesehen sind außerdem Besuche in der JVA Nürnberg in kleinen Gruppen. Auch über Themen wie Mobbing und Suchtprävention soll miteinander gesprochen werden, je nach Bedarf der Jugendlichen. Das Projekt soll die Betroffenen rechtzeitig erreichen, wenn die ersten Kontakte mit kriminellen Handlungen und Drogenkonsum entstehen: im Jugendalter. Das Personal, das an den Schulen selbst für diese Dinge zuständig sei, hält Putsche für nicht ausreichend. »Die Akzeptanz bei den Jugendlichen ist viel höher wenn sie merken, dass es sich um echte Erfahrungen handelt«, meint Putsche, »die ehemaligen Straftäter wissen eben wirklich, wovon sie sprechen und das entfaltet eine größere Wirkung als noch so große Bemühungen von sozialpädagogischen Fachkräften«. Die Jugendlichen hätten oft ein völlig falsches, verklärtes Bild von Kriminalität und den Verhältnissen in Haft, welches etwa durch Filme geprägt sei: »Unter vielen Jugendlichen gilt der ‚Gangsterstyle‘ und der zugehörige Lebensstil nach wie vor als cool.« Die ehemaligen Häftlinge hingegen könnten authentisch und glaubhaft mit den Vorurteilen aufräumen.

Perspektive für Ex-Häftlinge

Neben der Präventionsarbeit für die Jugendlichen soll das Projekt auch einen Baustein des sogenannten Übergangsmanagements nach der Haftentlassung darstellen und ein Teil der anschließenden Resozialisierung werden. Ausgesucht werden die Ex-Häftlinge für das Projekt »Gefangene helfen Jugendlichen« nach einem strengen Kriterienkatalog. Zwei geeignete Klienten hat Kay Putsche bereits ausgewählt, die für den Einsatz geschult werden sollen. Ehemalige Straftäter*innen haben es oft schwer, wieder auf dem normalen Arbeits- und Wohnungsmarkt Fuß zu fassen. »Wir kennen den Drehtür-Effekt, weil Strafentlassene häufig in alte Muster fallen, z.B. in ihre alte Peergroup und den bekannten Stadtteil zurückkehren – da ist der Weg zurück in den Knast oft nicht weit«, erklärt Volkert Ruhe, der den Hamburger Verein ins Leben gerufen hat und zuvor selbst acht Jahre in Haft saß. »Das Projekt gibt den Strafentlassenen eine sinnvolle Aufgabe in der Gesellschaft, sodass eine Wiedereingliederung möglich ist.«

Resozialisierung seit über 100 Jahren

Im Hilfefeld für Straffällige ist die Stadtmission Nürnberg schon lange Vorreiterin: Bereits 1909 brachte sie Strafentlassene in die Gesellschaft zurück – u.a. mit der »Schreibstube für stellenlose und strafentlassene Kaufleute« in der Bucher Straße. Heute kümmern sich allein beim AK Reso zwölf festangestellte Mitarbeitende und über 20 Ehrenamtliche um straffällig gewordene Männer und Frauen während und nach der Haft in Nürnberg und Nordbayern. Rund 80 Personen werden jährlich vom Team beraten und betreut. In über 40 Wohnungen finden sie während der Übergangszeit nach der Haft eine Bleibe. Diese Unterstützung verhindert Rückfälle und verhilft zu einem straffreien Leben.

Unterstützung und Erfahrung aus Hamburg

Bei der Entwicklung des neuen Projekts ist Kay Putsche dankbar für den Erfahrungsschatz aus Hamburg: »Wir haben eng mit dem Verein ‚Gefangene helfen Jugendlichen e.V.‘ zusammengearbeitet, der schon seit zwölf Jahren existiert.« Standorte in Hannover, Bremen, Bremervörde, Nordrhein-Westfalen, Berlin und sogar der Schweiz zeugen von einer erfolgreichen Arbeit. Entstanden ist die Idee für den Verein ursprünglich 1996 durch drei Inhaftierte der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel, genannt »Santa Fu« mit dem Ziel, Insassen der JVA eine sinnvolle Aufgabe im Bereich der Kriminal- und Gewaltprävention für Jugendliche zu geben.

Weiterführende Information zur Spendenkampagne "Ex-Häftlinge machen Schule" finden Sie hier .


Spendenkonto:
Stadtmission Nürnberg e.V.
IBAN: DE71 5206 0410 1002 5075 01
BIC: GENODEF1EK1
Evangelische Bank eG
Stichwort: Jugendprävention
 

Gefangene helfen Jugendlichen e.V.
Wandsbeker Königstr. 50
22041 Hamburg
www.ghj.social

Hilfe im Leben – Stadtmission Nürnberg