Stadtmission startet mit neuer Reha für psychisch erkrankte Jugendliche

Zum 1. September nimmt die neue Einrichtung für psychisch erkrankte Jugendliche im Nürnberger Nordostpark ihren Betrieb auf. Mit der schrittweisen Belegung der insgesamt 28 Plätze ab Ende September wird auch das Team der Rehaeinrichtung sukzessive wachsen.

NÜRNBERG.    Schon jetzt ist die Nachfrage von Eltern und Kliniken enorm – kein Wunder: In ganz Bayern gibt es bisher nur ein weiteres stationäres Rehaangebot für Teenager, doch etwa 470 000 psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche, schätzt die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB). Bis zum Ende des ersten Quartals 2021 soll das neue Haus der Stadtmission Nürnberg vollständig besetzt sein.

Psychische Erkrankungen bei Jugendlichen in allen Milieus verbreitet

Von psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angst- oder Persönlichkeitsstörungen sind Teenager aus allen Milieus betroffen. Kindliche Traumata oder unsichere Bindungen können dafür genauso Auslöser sein wie die »Krise des Erwachsenwerdens, des Sich-Ablösens« selbst, sagt Diplompädagogin Bärbel List, die zusammen mit Anita Krivec die Leitung der neuen Jugend-Reha übernommen hat. Und: »Kinder tragen schwer an der Belastung ihrer Elternhäuser, an finanziellen Sorgen, Suchtproblemen, der immer höheren Arbeitsbelastung usw.«

Therapie, Selbstständigkeitstraining, Ausbildung

Mit ihrer seit acht Jahren geplanten stationären Reha will die Stadtmission Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren nicht nur helfen gesund zu werden, sondern bereitet sie gleichzeitig auf die Selbstständigkeit als junge Erwachsene vor. »Die Jugendlichen sollen Aussicht auf ein gutes, zufriedenstellendes Leben haben. Nicht alle werden vollständig genesen, aber sie können auch lernen mit einer chronischen Erkrankung gut zu leben«, erklärt Bärbel List die Mission. Denn während ambulante Therapien in Wohnortnähe oft nicht ausreichten, um akut psychotische Jugendliche zu stabilisieren, seien Psychiatriestationen langfristig »kein geeigneter Ort zum Leben«. Die Jugend-Reha, die für ein halbes bis maximal 1 ½ Jahre ausgelegt ist, soll die Jugendlichen davor bewahren »Drehtürpatienten in den Kliniken« zu werden.

Erkrankte Teenager finden in dem neuen Haus der Stadtmission eine »Heimat auf Zeit«, in der sie sich auch um Schule, Ausbildung, Freizeit usw. kümmern. In vier Wohngruppen bewohnen alle ein eigenes Zimmer mit Bad und werden von Ärzten*innen, Pädagogen*innen und jungen Genesungsbegleitern*innen betreut. Letztere sind junge Erwachsene, die selbst bereits psychische Erkrankungen durchlebt haben und mit dieser Erfahrung sowohl Peers als auch bestärkende Vorbilder für die Teenies sein können.

Die Stadtmission Nürnberg hat bewusst einen städtischen Standort für die Jugend-Reha gesucht. »Die Jugendlichen sollen nicht isoliert auf der grünen Wiese leben, sondern während ihrer Genesungszeit auch eine gute, aktive Anbindung an das urbane Gemeinwesen, an Schule und betriebliche Praktikumsplätze haben. Also alltägliche Dinge erleben, um für ein eigenverantwortliches Leben vorbereitet und gestärkt zu werden«, erklärt Bereichsleiterin Elke Ernstberger, die bei der Stadtmission u.a. für die sozialpsychiatrischen Einrichtungen zuständig ist.

Neues Angebot kann deutschlandweite Versorgungslücke nicht schließen

»Wenn professionelle Hilfe für Jugendliche nicht hunderte Kilometer vom Wohnort entfernt ist, fällt es Teenagern und ihren Eltern leichter, auch frühzeitiger eine längerfristige Reha anzutreten«, meint List. Zumindest regional könne die Stadtmission also die bestehende Versorgungslücke füllen. Dennoch: Ein deutschlandweit flächendeckendes Reha-Angebot für Jugendliche, die von Angststörungen, Schizophrenie, Depressionen usw. betroffen sind, bleibt auch mit der neuen Jugend-Reha in Nürnberg lediglich eine Zukunftsvision: Bundesweit gibt es nur fünf größere Jugend-Rehas, die nächstgelegene im südbayerischen Peiting-Herzogsägmühle. In der ganzen Bundesrepublik stehen jetzt etwa 100 stationäre Rehabilitationsplätze für psychisch erkrankte Jungen und Mädchen zur Verfügung. »Vergleichen Sie das einmal mit dem Angebot von Adipositas-Kliniken und –kureinrichtungen für übergewichtige Kinder, dann sehen Sie, dass wir mit Blick auf die Zahlen den Bedarf von psychisch erkrankten Kindern und Jugendlicher lange nicht decken können«, so List. Gerade für junge Menschen seien Wartezeiten von einem halben, ein oder zwei Jahren aber schwer tragbar. »Schauen Sie nur, wie dicht und schnell Entwicklungen in der Teenagerzeit von statten gehen, was ein, zwei Jahre da für einen Jugendlichen bedeuten. «

 

5 Millionen kostete der Neubau der Jugend-Reha, der ausschließlich durch Spenden, u.a. von »Sternstunden« des Bayerischen Rundfunks und der Zukunftsstiftung der Sparkasse Nürnberg bestritten wurde.

Erst Ende September können die ersten Rehaplätze in Nürnberg belegt werden. Interessierte Eltern und vermittelnde Institutionen und Kliniken können sich einstweilen auf www.stadtmission-nuernberg.de/jugendreha informieren und über jugend-reha@stadtmission-nuernberg.de Kontakt zu der neuen Einrichtung suchen.

Hilfe im Leben – Stadtmission Nürnberg