Tereick auf Abschiedstour: Was er noch zu sagen hätte

Mit Erreichen des Ruhestandsalters scheidet Wolfgang Tereick im September aus der Stadtmission aus. Bei seiner Abschiedstour durch einige Einrichtungen der Stadtmission ist ihm eine Botschaft wichtig: »Wer helfen will, muss anerkennen.« Es ist auch ein Appell an die Politik.

Beschäftigung ermöglichen – Einsatz anerkennen!

Nürnberg freut sich über die rückläufigen Zahlen Langzeitarbeitsloser, die derzeit mit nur noch 5.100 beziffert werden. Man könne meinen, das Problem fehlender Beschäftigung in dieser Stadt erledige sich dank der guten Arbeitsmarktentwicklung irgendwann von selbst. Allerdings: »Diese bereinigte Zahl blendet alle aus, die in prekärer Arbeit stecken und seit Jahren von Sozialleistungen abhängig sind oder als Teilnehmende von  Qualifizierungs- und kurzfristigen Beschäftigungsmaßnahmen für die Statistik unsichtbar sind«, gibt Wolfgang Tereick bei seinem letzten Besuch im Ökumenischen Arbeitslosenzentrum zu bedenken. Um die Situation der weit über 40 000 Nürnbergerinnen und Nürnberger, die von Sozialleistungen und Jobcenter abhängig sind, zu verbessern, fordert er drei Dinge von der Politik: Erstens – eine deutliche Erhöhung des Mindestlohnes auf ein wirklich existenzsicherndes Niveau – auch für Familien. Zweitens – eine massive Begrenzung der Sanktionen für Hartz IV-Empfänger, durch die in Armut lebende Menschen leicht in die völlige Verelendung abrutschen. Und drittens: Den Aufbau eines öffentlich finanzierten dritten Arbeitsmarktes für abgehängte Arbeitnehmer, der dauerhafte, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ermöglicht. Die bestehenden geförderten Arbeitsplätze seien fast immer zu kurzfristig für den Einzelnen und es fehle an ausreichender sozialpädagogischer Begleitung, so Tereick. Zudem appelliert der scheidende Vorstand, dass Arbeit – in welcher Form auch immer – angemessen anerkannt werde müsse: »Menschen werden durch einen gültigen Arbeitsvertrag motiviert, nicht durch ein Euro-Taschengeld pro Arbeitsstunde«, kommentiert Tereick.

Flüchtlinge integrieren – berufliche Teilhabe zulassen!

Dass Leistung und individuelle Bemühungen anerkannt werden – das wünscht sich Wolfgang Tereick auch für  die in Nürnberg lebenden Flüchtlinge. Als Theologischer Vorstand verantwortete Tereick bis dato auch die Asyl- und Migrationsberatung der Stadtmission. Die Stadt Nürnberg und das Bayerischen Staatsministerium für Soziales lobt Tereick für ihr gutes Asylmanagement in den brisanten Jahren 2015 und 2016. Dagegen hinke die Bundespolitik den Notwendigkeiten weit hinterher. Beispielhaft verweist Tereick auf alle, die nicht aus einem der fünf Länder mit guter Bleibeperspektive stammen. Sie hätten hier enorm schlechte Chancen auf eine Arbeits- oder Ausbildungserlaubnis, selbst wenn sie ein konkretes Angebot hätten. »Wir lassen zu viele geduldete, höchst engagierte Geflüchtete jahrelang im Leerlauf hängen – das ist unzumutbar für die Betroffenen und beschämend für ein reiches Land wie unseres«, so Tereick. »Ich meine, wir haben auch für die Menschen eine humanitäre Verantwortung, die nicht langfristig in Deutschland bleiben.« Arbeit und Ausbildung sei eine der nachhaltigsten Möglichkeiten Entwicklungshilfe zu leisten, ist Tereick überzeugt.

Neue Chancen ermöglichen - ehemalige Straftäter begleiten!

Auch die Angebote für Haftentlassene und ehemalige Straftäter fielen bisher in den Verantwortungsbereich von Wolfgang Tereick. Für sie wünscht sich der Theologe eine größere Bereitschaft der Zivilgesellschaft, ihnen eine neue Chance auf ein geregeltes Leben zu geben  und appelliert an Arbeitgeber und Vermieter. 80% der Klienten des Arbeitskreises Resozialisierung der Stadtmission beispielsweise seien Menschen, die schon früh nicht mit dem Leben klar gekommen und so zu Straftätern geworden seien – Milieugeprägte und Suchtkranke. Mit einer anerkennenden, langfristigen Begleitung finden über zwei Drittel von ihnen nach der Haft in Gesellschaft und Alltag zurück. Eine Prognose, die Unternehmer und Wohnungsgeber motivieren sollte, hofft der 65-Jährige.

Fast 20 Jahre stand Wolfgang Tereick im Dienst der Diakonie. Seit 2010 war er in Personalunion Theologischer Vorstand der Stadtmission Nürnberg und der Diakonie Erlangen. In diesen Spitzenämtern verantwortete er die sogenannte Gefährdetenhilfe, den Bereich ‚Senioren und Pflege‘ sowie die Beratungsdienste beider Träger. Noch bis 1999 war der gebürtige Niederrheiner als Gemeindepfarrer, u.a. in der sozialen Brennpunktgemeinde Duisburg-Marxloh tätig. Später leitete er als Geschäftsführer die Diakonie Freistatt in Niedersachsen, bevor er 2010 nach Mittelfranken wechselte.

 

Am 27. September wird Nachfolger Matthias Ewelt, zuletzt Dekan in Neustadt an der Aisch, in seine Vorstandsämter in der Diakonie Erlangen und der Stadtmission eingeführt. Die dreiköpfigen Vorstandsgremien beider Träger sind identisch besetzt. Neben Wolfgang Tereick – und in Kürze Matthias Ewelt – bekleiden Gudrun Dreßel und Gabi Rubenbauer die Vorstandsämter.

 

Hilfe im Leben – Stadtmission Nürnberg