Bett, Brot, Seife

STEFANOS PANARAS (l.) und Christian Teleki 

sind beide langjährige Mitarbeitende in der Integrationsarbeit der Stadtmission Nürnberg.

Immer häufiger müssen Organisationen ihre Beratungsangebote für Migranten*innen und Geflüchtete aufgeben, weil sie nicht ausreichend refinanziert sind. Auch die Stadtmission Nürnberg stellte die Migrationsberatung für Erwachsene Ende 2023 letztlich ein. Häufig würden zwar Personalkosten refinanziert, erklärt Bereichsleiter Björn Bracher, unter anderem der Telefon- und Internetzugang, Fortbildungen oder Supervisionen für die Mitarbeitenden aber nicht. Dennoch sehe die Stadtmission sich in der diakonischen Verantwortung für eine vielfältige Stadtgesellschaft und ein gutes Miteinander, betont der 45-Jährige. »Wir lassen die Menschen, die hier eine neue Heimat suchen, nicht im Stich.« 

Das beweist auch ein ganz neues Angebot: Die unabhängige Asylverfahrensberatung (AVB) in den Nürnberger AnkER-Dependancen. Man habe sich damit »einen ziemlich großen Schuh angezogen«, meint Christian Teleki. Der 47-jährige Sozialpädagoge leitet das Arbeitsfeld »Asyl und Migration«. »Dieser Bereich ist für unsere Mitarbeitenden absolutes Neuland.« Die »AVB« wird vom Bund in diesem Jahr immerhin zu 95 Prozent refinanziert – wie die Kostenübernahme 2025 weitergeht, ist unklar.

Am Eingang der AnkER-Dependance in der Witschelstraße, gelegen zwischen den Stellflächen großer Gebrauchtwagenhändler, wird man heute von einem Mann und zwei muslimischen Frauen vom Sicherheitsdienst empfangen. Besuch ist in der AnkER-Dependance nicht gestattet, so steht es auf einem Schild am Eingang. Einige wenige Ausnahmen bestätigen die Regel, wie der Hausmeister erklärt: Der Ehemann einer Bewohnerin etwa, der schon länger in Deutschland lebt, darf seine Frau und seine zwei Kinder besuchen, wenn auch nur zu bestimmten Zeiten. Selten komme es zu Unruhe oder Streit. Denn bei der Belegung werde darauf geachtet, wer mit wem in ein Zimmer und auf welches Stockwerk kommt. 

Die Dependance ist eine Zwischenstation. Hierher kommen Personen aus dem AnkER-Zentrum in Zirndorf und werden anschließend einer Gemeinschaftsunterkunft zugewiesen, wie es im Amtsdeutsch heißt – oder abgeschoben. AnkER steht für Ankunft, kommunale Verteilung, Entscheidung und Rückführung. Aktuell (Mitte Juni) leben in der Witschelstraße 119 Personen. Fast jeden Tag ändert sich diese Zahl. Ein Anbau in ähnlicher Größe ist in Planung und die Belastung vorprogrammiert. Etwa sechs bis 18 Monate verbringen die Menschen hier. »Die Zeit besteht oft aus Warten«, erklärt Stefanos Panaras, Teamleiter der Flüchtlings- und Integrationsberatung (FIB), die die Stadtmission neben der »AVB« ebenfalls vor Ort anbietet.

»Die Bewohner erhalten das absolute Minimum an Grundversorgung«, so Teleki, »kurz: ›Bett, Brot, Seife‹«. Bei der Essensausgabe am Mittag bekommt jede*r ein eingeschweißtes warmes Gericht zusammen mit einem Vorrat für das Abendessen und Frühstück. Hygieneartikel werden ebenfalls als Sachleistungen zur Verfügung gestellt. Eine freie Auswahl gibt es also nicht. 216 Euro erhalten die Asylsuchenden ergänzend zur freien Verfügung. »Weit kommt man damit nicht«, beobachten die beiden Sozialpädagogen. Etwa für rechtlichen Beistand reicht es kaum.

 

Die »FIB« ist den Bewohnern*innen vor allem behilflich bei den nötigen Anträgen an die Ämter, zum Beispiel für die An- und Ummeldung des Wohnorts, Integrationskurse, Krankenversorgung oder eine Arbeitserlaubnis – denn die Motivation zu arbeiten ist bei den meisten groß. Stefanos Panaras versteht diesen Wunsch, und dennoch rät er oft dazu, erstmal an einem Deutschkurs teilzunehmen, um die Sprachkenntnisse zu verbessern. Denn aus langjähriger Erfahrung in der Migrationsberatung weiß er, wie wichtig das in Deutschland ist, um langfristig richtig Fuß zu fassen. 

Für die »AVB« werden die drei zuständigen Mitarbeitenden derzeit noch ausgiebig geschult. Die Beratung ist fachlich und strukturell eine echte Herausforderung. »Wir klären über die rechtlichen Aspekte des Asylverfahrens auf, prüfen gemeinsam die individuellen Möglichkeiten und bereiten auf die persönliche Anhörung beim BAMF (Anm.: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) vor«, erklärt Christian Teleki. Eine Hürde sei dabei die Sprachbarriere, denn die ist bei den Bewohnern*innen aufgrund deren kurzer Aufenthaltsdauer noch groß. »Dazu kommt, dass es für die Menschen natürlich nicht leicht ist, uns traumatische Erlebnisse anzuvertrauen«, weiß Teleki, »das sind eigentlich Geheimnisse, die sie preisgeben«. Aber gerade diese sind oft wichtig, damit Entscheider*innen beim BAMF die Gründe für die Flucht verstehen können.

Auch für die Mitarbeitenden sind die Schilderungen manchmal belastend. Ein Team, in dem man sich vertraue und wohlfühle, sei da besonders wichtig, findet Teleki. »Und wir wachsen mit den Aufgaben.«

Text: Anna Thiel

Hilfe im Leben – Stadtmission Nürnberg