Planmäßige Ankunft: 10 Uhr morgens

Brezen, Salami-Baguettes … sogar einige Fischbrötchen liegen diesmal in der randvollen Plastikbox, die Claudia Steubing in der Yorma’s-Filiale im Erlanger Hauptbahnhof abholt. Ein kurzer Plausch mit dem Verkäufer, man kennt und schätzt sich, dann geht es zurück in die benachbarte Bahnhofsmission. Noch gut eine halbe Stunde hat die Leiterin Zeit, die Spülmaschine auszuräumen, das Frühstück anzurichten, Kaffee zu kochen. Unterstützt wird sie dabei von der Ehrenamtlichen Gerlinde Seeger, die heute zum Dienst eingeteilt ist und routiniert den Kaffeefilter befüllt: »Sechs bis acht Liter schenken wir täglich aus.«

 

Eine Spendendose der Bahnhofsmission Erlangen steht vor einem Teller mit Obst.

JEDE SPENDE HILFT

Die gute Arbeit der Bahnhofsmission Erlangen wäre ohne die Unterstützung von Bürgern*innen und Unternehmen kaum möglich.

Auch an diesem Montagmorgen erfreut sich der Wachmacher großer Beliebtheit. Um Punkt 10 Uhr stehen die ersten Gäste vor der Einrichtung. »Guten Morgen!«, schallt es Steubing entgegen, als sie die Tür zur kleinen Stube öffnet. Die Begrüßung ist herzlich, schließlich kommen nicht wenige Besucher*innen seit vielen Jahren. Eine dieser »Stammgäste« ist Irmgard. Seit 18 Jahren schaut sie regelmäßig vorbei, trinkt ihren Kaffee und liest gewissenhaft die Lokalzeitung. Irmgard sitzt aus demselben Grund auf der gemütlichen Holzbank wie die meisten anderen: Ihr Geld reicht kaum zum Leben.

TAGESLEKTÜRE

Beim Zeitunglesen kommt Irmgard zur Ruhe. Sie besucht die Bahnhofsmission bereits seit 18 Jahren.

Das ist aber nicht alles: »Ich wohne alleine und habe wenig Gesellschaft. Hier habe ich ein bisschen Unterhaltung«, erklärt die 77-Jährige. Mit Klaus etwa. Auch der 55-Jährige nutzt das Angebot der Diakonie Erlangen seit mehr als zehn Jahren und versteht sich offenbar gut mit Irmgard. Sein Leben mag hart sein. Für eine flapsige Bemerkung, die seine Banknachbarin zum Lachen bringt, reicht es jedoch allemal.

Geschämt vor dem eigenen Sohn

Während Seeger in der Küche nebenan frischen Kaffee aufsetzt, gesellt sich Hans zur Frühstücksrunde. Nach anfänglichem Zögern erzählt er seine Geschichte – und wirkt mit jedem Wort ein bisschen erleichterter. Bis vor einiger Zeit sei er noch obdachlos gewesen, nun bewohne er ein Zimmer. »780 Euro zahle ich dafür«, klagt er. Er berichtet von seinem kleinen Sohn, den er regelmäßig sieht. Doch wer Kinder hat, weiß: Sie kosten Geld. Das ist bei Hans knapp: »Das Bürgergeld reicht hinten und vorne nicht. Ich gebe viel für meinen Sohn aus, aber für mich bleibt wenig übrig. Manchmal habe ich nicht mal was zu essen.« Seit drei Jahren stillt er in der Bahnhofsmission zumindest seinen Hunger am Morgen. An seinen ersten Besuch erinnert er sich mit gemischten Gefühlen. »Peinlich« sei ihm das gewesen. Deshalb habe er damals auch zunächst seinen Sohn zum Kindergarten gebracht und erst danach den Weg zum Erlanger Bahnhof eingeschlagen – er schämte sich vor seinem Kind. 

Viele der Geschichten an diesem Vormittag ähneln sich auf traurige Weise. Und doch präsentieren sich viele der Besucher*innen kämpferisch – und dankbar. Unisono loben sie die Arbeit des Teams in der Bahnhofsmission. »Alle hier sind super herzlich und freundlich«, bestätigt etwa Michael, der regelmäßig vorbeikommt. 

 


Steubing vernimmt das Lob wohlwollend in ihrem kleinen Büro. Sie unterbricht die Dokumentationsarbeit und startet ihren Rundgang über den Erlanger Bahnhof – natürlich mit der typisch blauen Weste der Bahnhofsmission bekleidet. »Wir wollen Präsenz zeigen. Damit die Menschen wissen: Hier hilft ihnen jemand.« Mit wachem Blick streift sie durch die Bahnhofshalle: Ist ein Mensch in Not? Wirkt jemand orientierungslos? Braucht ein*e Reisende*r Unterstützung beim Umsteigen? Schließlich gehört auch das seit 70 Jahren zu den Aufgaben der Bahnhofsmission in Erlangen. 

Mittlerweile ist es kurz nach 13 Uhr. Höchste Zeit, in die Räume der Bahnhofsmission zurückzukehren. Bis halb zwei dürfen sich bedürftige Menschen dort stärken, dann verabschiedet das Team seine Gäste. »Wir haben noch Würschtl«, preist Seeger die übriggebliebenen Pfefferbeißer an und packt ein Paar von ihnen einer Besucherin für den Heimweg ein. Dann schließt sich die Tür, hinter der anschließend eifrig gekehrt, gewischt und aufgeräumt wird. Tische werden desinfiziert, die Spülmaschine befüllt. Am nächsten Morgen wird um Punkt 10 Uhr wieder eine Gruppe Menschen vor der Bahnhofsmission stehen. Sie wissen, wo sie Hilfe im Leben erhalten.

Interview: Alexander Reindl

 

Hilfe im Leben – Stadtmission Nürnberg