Auf Augenhöhe

Herr Stähler, lassen Sie uns mit Ihrem ganz persönlichen Rückblick beginnen: Welcher Moment aus dem vergangenen Jahr war prägend für Sie?

Kai Stähler: 2023 lag mein Fokus darauf, erst einmal die Einrichtungen und vor allem die Menschen hier kennenzulernen. Ich hatte wirklich bewegende Begegnungen mit hochengagierten Mitarbeitenden, die einen klasse Job machen. Das Zweite, was mir in allerbester Erinnerung geblieben ist, war unser Fest für die Mitarbeitenden. Die Stimmung war super, man ist mit so vielen Menschen ins Gespräch gekommen und konnte sich wunderbar vernetzen.

KAI STÄHLER

steht mit dem ganzen Vorstand für einen Kulturwandel – hin zu einer offenen, transparenten und wertschätzenden Kommunikation im Verbund.

Das Motto unseres Jahresberichts ist: »Und wir wollen uns umeinander kümmern.« Stadtmission Nürnberg und Diakonie Erlangen gehören zweifellos zu den großen Kümmerern in der Region. Wünschen Sie sich von Kostenträgern*innen und Politik mehr Wertschätzung für diese gesellschaftlich so wichtige Arbeit?

Kai Stähler: Wir sind ein sehr gefragter Sozialpartner in der Region. Wir werden als verlässlicher Partner wahrgenommen, der sehr gute Arbeit macht. Aber Kommunen und Bezirke sind knapp bei Kasse. Wir bekommen zu spüren, dass der Druck auf die Kostenträger weiter wächst. Hier würde ich mir von Politik und Kostenträgern mehr Mut zu einer Strategie und einer Priorisierung von Leistungen und Angeboten wünschen. Ich wünsche mir eine Abkehr vom Gießkannen-Prinzip und stattdessen eine fokussierte Finanzierung. Und ja: Das kann bedeuten, dass es am Ende das eine oder andere Angebot weniger gibt. Aber dafür kann die Qualität der anderen, wirklich am Bedarf orientierten Angebote steigen.

 

 

Die Finanzen sind ein Dauerthema bei vielen diakonischen Unternehmen. Wie schaffen wir auch weiterhin den Spagat, unserem Auftrag gegenüber hilfesuchenden Menschen gerecht zu werden und gleichzeitig solide zu wirtschaften?

Kai Stähler: Genau dieser Spagat wird das große Thema der nächsten Jahre sein. Etliche Sozialträger sind in Schieflage, das ist kein Geheimnis. Wir müssen unsere eigenen Hausaufgaben machen, mit Kostenträgern gute Entgelte verhandeln und unsere eigenen Angebote hinterfragen: Passen die noch zum gesellschaftlichen Bedarf? Sind sie zukunftssicher? Wir müssen agiler und schlanker werden und unsere Prozesse verbessern. Unsere Mitarbeitenden leisten wirklich hervorragende Arbeit, dafür brauchen wir die richtigen Rahmenbedingungen. Dann sind wir auch wirtschaftlich erfolgreich. Die gute Nachricht ist: Wir sind in keiner wirtschaftlichen Schieflage, haben viel Potenzial und grundsätzlich eine gute Basis. Aber wir stecken mitten in großen Herausforderungen.

Sie stehen seit Dezember 2022 an der Spitze des Verbunds. Der ist im Wandel, Aufbruchstimmung ist spürbar – wie sieht Ihre Vision aus?

Kai Stähler: Wir wollen als Vorstand einen Kulturwandel, der ernst gemeint ist; wo Offenheit, Wertschätzung, Nachhaltigkeit, Transparenz und Kommunikation auf Augenhöhe wirklich gelebt werden und nicht nur im Leitbild stehen. Wir wollen eine gute Fehlerkultur etablieren. Und wir brauchen eine Strategie: Wo wollen wir hin mit unseren Angeboten? Wie erreichen wir wirklich die Menschen, die unsere Hilfe benötigen? Außerdem müssen wir schauen, wie wir digital fit für die Zukunft werden – nicht aus purem Aktionismus oder um der Technik willen, sondern so, dass Digitalisierung einen Mehrwert hat und zu einer Entlastung führt.

Wir wollen eine zeitgemäße, lernende Organisation werden. Zeitgemäß ist aus meiner Sicht auch, unsere Mitarbeitenden an allen Entwicklungen Teil haben zu lassen, sie mitzunehmen und auf die Expertise unserer vielen hochkompetenten Mitarbeitenden zurückzugreifen.

Und wie schaffen wir es, auf einem zunehmend umkämpften Arbeitsmarkt auch weiterhin attraktiv für neue Mitarbeitende zu bleiben?

Kai Stähler: Wir sollten das, was wir im Leitbild formuliert haben, tatsächlich auch leben. Das ist mir persönlich sehr wichtig. Wir wollen die Mitarbeitenden in ihrem Handeln stärken, auch die Führungskräfte. Auch das ist ein Grund, weshalb wir die Personalentwicklung ausgebaut haben. Wenn Mitarbeitende zufrieden sind, hängt das in den allermeisten Fällen von guten Rahmenbedingungen und der jeweiligen Leitung ab. Wenn Konflikte gut gelöst werden, das Onboarding stimmt, Mitarbeitende gut begleitet und informiert werden, dann fühlen sie sich in der Regel wohl. Ein großes Augenmerk wollen wir auch darauf legen, wie sich Mitarbeitende in unserem Unternehmen weiterentwickeln können – zum Beispiel durch Trainee-Programme.

Stadtmission und Diakonie Erlangen sind eins geworden. Jetzt suchen wir einen gemeinsamen Namen und ein Corporate Design, also ein einheitliches Erscheinungsbild für den Verbund. Warum ist das so wichtig?

Kai Stähler: Stadtmission und Diakonie gehören längst nicht mehr nur auf dem Papier zusammen, sondern leben diese Zusammengehörigkeit Tag für Tag. Wir schaffen immer mehr gemeinsame Strukturen, und in unserer Arbeit motiviert uns dasselbe Ziel – egal, an welchem Standort – nämlich: Menschen zu helfen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Die logische Konsequenz ist, dass wir überall mit einem gemeinsamen Namen sichtbar machen, dass wir zusammengehören. Eine gemeinsame Marke, ein gemeinsamer Name stärkt unsere Stimme als Sozialunternehmen. Was mindestens genauso wichtig ist: Wir wollen mit unseren 2.000 Mitarbeitenden noch stärker als große und leistungsstarke Arbeitgeberin in der Region wahrgenommen werden.

Interview: Sabine Stoll

 

Hilfe im Leben – Stadtmission Nürnberg