»Es gab keine Woche, wo mich nicht irgendwelche Leute, oft Fremde auf der Straße, beleidigt haben. Natürlich ziehst du dich da zurück«, erzählt die 33-jährige Sora Stiegler. Der Grund? Bis im vergangenen Jahr wog sie noch etwa 190 kg. Heute sind es 70 kg weniger. Für die junge Frau ist das ein Erfolg und Entlastung gleichermaßen. Denn die Kilos stehen sinnbildlich auch für eine psychische Last, die sie seit ihrer Teenagerzeit durchs Leben schleppt.
»Recht groß und pummelig«, das war Sora Stiegler schon als Kind. Und: »Ein kleiner Nerd«, wie sie lächelnd bemerkt. Mit unendlicher Neugier habe sie alles, was mit Computern zu tun gehabt habe, gemeinsam mit ihrem Opa erforscht. Lange später wird sie eben diese Neugier zum Beruf machen. »Mit Computern kann ich einfach besser einig werden, als mit Menschen«, meint die sensible Frau.
Als Sora Stiegler 18 ist, verselbstständigt sich ihre Geschichte auf bittere Weise: Nach einem Suizidversuch muss die junge Frau sich eineinhalb Jahre in einer psychiatrischen, geschlossenen Klinik behandeln lassen. »Gefühlt habe ich dort nur noch geschlafen und gegessen.« Soras Gewicht schnellt in dieser Zeit auf 210 Kilo hoch, nur mühsam wird sie später Bruchteile davon wieder los. Seit jenem Klinikaufenthalt weiß Sora Stiegler auch ganz offiziell von ihrer Mehrfach-Diagnose: Posttraumatische Belastungsstörung, Depressionen, Borderline. Dass gleich mehrere psychische Erkrankungsbilder wie bei Sora zusammenfallen sei eher die Regel als ein Einzelfall, sagt Ellen Vester vom Betreuten Wohnen für Menschen mit seelischer Erkrankung, die sie heute ambulant betreut.